Berlins Clubs in Gefahr

Berlins Clubs in Gefahr

Die Sorgen des DJs könnten verschiedene Ursachen haben. Stimmt es, dass Technotouristen den Charakter der Berliner Clubs aushöhlen, die dem globalen Trend erlegen sind? Oder verdrängen große Immobilieninvestoren die Clubs aus ihren alteingesessenen Lagen? Vielleicht ist es die Gentrifizierung, die mit immer unbezahlbareren Mieten einhergeht? Oder die Sorge der Anwohner vor Lärmbelästigung, die zur Schließung einiger Lokale geführt hat?

Nach Angaben der Club-Kommission des Berliner Senats haben im vergangenen Jahr vier der schätzungsweise 100 Techno-Clubs in Berlin geschlossen. Neun weitere Clubs stehen kurz vor dem Aus. Die Griessmühle im Süden der Stadt wurde vor acht Jahren von David Ciura gegründet.

Der heute 30-Jährige kann auf eine glänzende Erfolgsbilanz verweisen. Angefangen hat alles mit dem Wunsch einiger weniger Menschen, sich in seliger Abgeschiedenheit auszudrücken, wie es in Berlin häufig der Fall ist. Das Gelände der Griessmühle, einer riesigen ehemaligen Nudelfabrik, schien der richtige Ort zu sein.

Mittlerweile veranstaltet der Club 150 Partys pro Jahr, beschäftigt 70 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 2,1 Millionen Euro. Ciuras Partys haben den Nerv von Techno-Liebhabern getroffen, insbesondere sein monatliches CockTail d’Amore.

Ciura hingegen erhält selten mehr als halbjährliche Verträge, was die Planung problematisch macht. Sein Mietvertrag ist nur bis Anfang 2020 verlängert worden. Und das ist kein einmaliger Vorgang in Berlin.

Der bekannte Nachtclub Tresor zum Beispiel soll nur noch dreimonatige Mietverträge erhalten haben. “Langfristige Mietverträge sind im Innenstadtring nicht mehr zu bekommen”, beklagt Ciura und fügt hinzu, dass er immer noch Angst vor einer Zwangsräumung hat. Das könnte passieren, wenn zum Beispiel ein Investor so viel Geld für den Standort Griessmuehle bietet, dass sich der Eigentümer zum Verkauf entschließt.

Kampf um das Recht, sich zu amüsieren

Ciura behauptet, dass die Techno-Clubs Berlin im letzten Jahrzehnt geholfen haben, aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen. “Und es wäre schade, wenn wir das alles jetzt, nach so kurzer Zeit, aufgeben müssten”, bemerkt er.

Wenn es nach Ciura ginge, würde der Berliner Senat ein klares Bekenntnis zur Clubkultur der Stadt abgeben, anstatt sich auf hochkarätige Projekte wie den 600 Millionen Euro teuren Wiederaufbau des Berliner Rathauses zu konzentrieren.

“Ich glaube, dass es wichtig ist, für jeden Quadratmeter Freiraum in unserer Stadt zu kämpfen, für jeden Club zu kämpfen”, sagte der Berliner Kultursenator Klaus Lederer der DW. Aber er merkte an, dass der Gesetzgeber viel zu spät reagiert hat, was er an seinen Vorgängern kritisierte.

Lederer räumt ein, dass die Politik wenig Macht und Einfluss auf milliardenschwere Investoren hat. Immerhin bezuschusst der Senat nun Lärmschutzmaßnahmen für die Clubs. Das wird aber nicht ausreichen, um die Existenz der Clubs zu sichern.

Es steht viel auf dem Spiel: Berlin hat mit berühmten Headline-Clubs wie dem Berghain, dem Tresor und dem Watergate sowie der ständigen Entwicklung neuer, zum Teil illegaler Clubs die weltweit ausgeprägteste und lebendigste Clubszene.

Techno = Freiheit = Berlin

Diese neuen Gründungen von Clubkulturen sind Ausdruck der Unabhängigkeit Berlins. “In Berlin ist man vielleicht so frei wie nirgendwo sonst auf der Welt”, sagt Ciura.“Es geht um die Freiheit der Menschen, sich so zu fühlen, wie sie wollen, sich von ihrem Schreibtischjob zu lösen, sich zu öffnen und einfach ihr Leben zu genießen”, so DVS1 weiter. Dazu gehört auch, dass DJs ihre Sets ohne Rücksicht auf kommerzielle Erwägungen auflegen können. Im Berghain, dem weltberühmten Technozentrum Berlins, ist das noch denkbar. “Ich glaube, dass das Berghain wie ich die Ästhetik des Undergrounds bewahren will”, so DVS1. “Es gibt keine Kameras, die Leute haben dort völlige Freiheit, und die Künstler haben die Möglichkeit, längere Sets zu spielen.” Diese Unabhängigkeit erstreckt sich auch auf die gefürchteten Türsteher, die Besuchern gelegentlich den Zutritt zum Club verwehren, was nach Ansicht von DVS1 auch notwendig ist, um die Underground-Attitüde des Berghain zu erhalten. Das Berghain hingegen ist eine Klasse für sich. Trotz der zahlreichen Gefahren stellt sich die Frage, ob andere Clubs ihren Charakter und ihre wirtschaftliche Lebensfähigkeit bewahren können. 

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